Dienstag, 22. April 2008

Natascha Kampusch oder die Frage nach einem personifizierten Paradoxon...

Hat sich das nationale Sorgenkind also wieder trickreich in die Medien gestohlen... Ich weiß nicht, wann es das letzte Mal eine Einzelperson geschafft hat sich anderthalb Jahre lang unzumutbar penetrant im gleißenden Licht des Medienrummels zu sonnen, ohne dafür einen auf lange Frist triftigen Grund vorweisen zu können.

Unumstritten schockierend die Tatsache, dass Natascha Kampusch acht Jahre der Gefangenschaft hinter sich bringen musste und mindestens ebenso ereignisreich und positiv beschallt die Tatsache, dass sie aus dieser Gefangenschaft entrinnen konnte.

Kampusch wurde zum großen Medienmittelpunkt, als sie wieder auftauchte, was wohl mehr als selbstverständlich ist. Es ist ebenso verständlich, dass es eine Phase des Nachbebens gibt, in dem ihre vergangenen acht Jahre minuziös auseinander genommen und unter aquarienähnlicher Beobachtung der Öffentlichkeit aufgearbeitet wurden.

Aber nun seien wir uns mal ehrlich: Jetzt ist das Fass dann langsam voll...

Dennoch schafft es Kampusch immer und immer und immer und immer wieder in die Medien... sei es, dass sie Interviews gibt, dass sie eine eigene Talkshow ins Leben ruft, ihre soziale Ader entdeckt und davon die ganze Welt wissen lassen möchte oder Ähnliches. Fakt ist, wenn ich mich so umhöre, dass es einfach nur halb so viele Leute noch zu interessieren scheint, als sie selbst vielleicht glaubt.

Wo sind die anfänglichen Formalisten hingekommen, die appellierten, dass man das Mädchen in einer "normalen Umgebung" ihrer Entwicklung phrönen lassen sollte? Wo sind sie hin, wenn man sie wirklich braucht?

Jede Woche auf's Neue scheint es so zu sein, dass Kampusch selbst - unter Ägide ihres Psychologen-Anwalt-Medienexperten-Gefolges - versucht sich wieder in ein Rampenlicht zu rücken, das zusehends eigentlich von ihr abwenden und zu neuen Themen hinlenken möchte.

So tat sie es auch wieder, als am Freitag wohlwollend die U-Bahn-Zeitung "Heute" scheinbar persönliche Daten aus einer Akte veröffentlichte, die der österreichischen Gratiszeitung de facto zugespielt wurden. Die Redakteure wären gedankenlos, hätten sie sie nicht veröffentlicht. Und dennoch haben sie - so Chefredakteur Richard Schmitt zu allen erdenklichen Medien - eine Woche lang überlegt, ob dies die richtige Lösung sei.

Keine Frage, es handelt sich um persönliche Daten und in jedem anderen Falle hätte ich den Worten der betroffenen Person zugestimmt, wenn diese meint: "Ich möchte bedingungslose Aufklärung darüber, wer diese Indiskretion zu verantworten hat!" (O-Ton Kampusch) Aber doch bitte nicht von einer Figur, die sich selbst ins Rampenlicht zu rücken vermag, wie sonst niemand.

Nun, ihr Anwalt Gerald Ganzger mockiert sich darüber, dass "Heute" veröffentlicht hat, was ihnen am silbernen Tablet gereicht wurde: Es seien persönliche Details aus der Zeit von Kampuschs Gefangenschaft an die Öffentlichkeit geraten. Mit rechtlichen Konsequenzen drohend ging der Anwalt ab. Nähere Informationen dazu gibt es in diversen Berichten (siehe Quellenangabe).

Mein persönlicher Gipfel wurde jedoch mit dem folgenden Satz Kampuschs erreicht: Ihre persönlichen Belange würden niemanden etwas angehen, (...). Und wieso erfahren wir "hände-gebundenen" Rezipienten dann unwillkürlich und wider Willens seit Ende 2006 jedes noch so persönliche Natascha Kampusch-Detail?

Es ist dies eine der heftigsten Diskussionen im Medienbereich seit langem, in der sich wahre und weniger wahre Experten einschalten und meinen, dass Journalismus seine Grenzen habe (außer, wir können erfahren, wo sich gerade Karl-Heinz Grasser und Fiona Swarovsky welche diskreten Worte ins Ohr flüstern und was Herr Baumeister Ingenieur Opernball-Staraufbieter Lugner jetzt in diesem Moment gerade macht, dann gibt es beim Journalismus wohl keine Grenzen) und dass nicht alles auch durchgehen darf, was medienrechtlich nicht untersagt wird, et cetera, et cetera.

Es stehen im Ring: Opfer (eigentlich rampenlichtgierig, jedoch nur unter Kontrolle und mit Absegnung jeder geplanten Veröffentlichung) und Medium, dem Informationen zugespielt wurden. Die Frage ist: Steht uns als Öffentlichkeit nicht auch diese Information zu? Oder dürfen wir wirklich nur erfahren, was Kampusch uns wissen lassen möchte? Und wäre es dann - Frau Kampusch & Team - nicht vielleicht besser sich weniger gierig ins Rampenlicht zu stürzen?

Fragen über Fragen und nur eine Antwort, die uns an dieser Stelle abschließend der Chefredakteur Richard Schmitt in seiner Stellungnahme in der Kleinen Zeitung zu der ganzen Thematik gibt:

"Man muss sich vor Augen halten, dass Kampusch drei bis vier Interviewserien gemacht hat und bald eine eigene Talkshow haben wird. Wer sich absichtlich in die Öffentlichkeit stellt, muss sich auch bewusst sein, dass es ein großes öffentliches Interesse gibt."

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